Sonntag, 17. Juni 2012

Mein Vintage-Lover

Leider wohnte Hanswurst unglaublich weit weg, so dass eine Beziehung nicht in Frage kam. Außerdem war er ein bischen älter als ich. Also nicht nur ein bischen. Ich habe aber trotzdem kurz überlegt, ob für mich ein Retro-Lover in Frage kommt. 

Es war alles so ... anders: Hanswurst spielte mir jeden Abend seine Schallplatten am Telefon vor. 60er Jahre Schlager, bei denen ich immer so schön einschlafen kann - leider ohne mich vorher zu verabschieden. Er war enttäuscht, dass ich nicht spontan alle Bonanza-Schauspieler aufzählen konnte. Sein Leibgericht war der Käseigel, wo ich allein schon bei der Vorstellung in lautes Gelächter verfalle. Kalte Ente ist wohl nicht das, was ich ihm vom Chinesen mitgebracht habe. Und so reihte sich Missverständnis an Missverständnis. 

Das Unglück fand seinen Höhepunkt darin, als Hanswurst entsetzt meinte, mein Ollibert wäre hässlich. Ich dachte, es wäre im besten Falle eine Kurzbezeichnung für den Oberlippenbart, den ich hoffentlich nicht habe. Sicherheitshalber schaute ich heimlich im Spiegel nach und verwies Hanswurst empört des Hauses. Erst Tage später erfuhr ich, dass mit Allibert der Spiegelschrank gemeint war. Keine Ahnung, ob es da Schönheitswettbewerbe gibt.

Ich scheiss auf Vintage.

The Artist

Erleichtert verkündete ich zu Hause: ich habe endlich jemanden kennengelernt. Er ist toll. So witzig. Vielleicht kennt ihr ihn - er war sogar schon mal in einer großen, von Gottschalk moderierten Abendshow ... als Artist!

Meine Mutter runzelte die Stirn: "Ach, du mit deinen Anglizismen!" und stellte sich gleichzeitig bereits vor, wie ich mit ... hmm, naja, vielleicht Phil Collins zum Essen komme. Da könnte man das gute Geschirr wieder mal hernehmen.

"Nein", stellte ich klar, "ich meine wirklich Artist. So einer in Sportklamotten. Er kann da so einen Trick."

Mein Vater legte kopfschüttelnd die Zeitung beiseite: "Deine Tochter! Hätte ich mir ja denken können, endet noch beim Zirkus." "Was heisst denn hier meine Tochter? Zieh mich da nicht mit rein, von mir hat sie das nicht", brummte meine Mama und folgte Papa in die Küche.

Ich ließ mich nicht beirren. Ich fand Hanswurst toll. Als einzige, wie sich herausstellen sollte.